G. F. Händel
CANTATE NAPOLETANE
1708

ARCADIA_2008
Barockmusik
Ensemble Berlin


Nel dolce tempo
Cantata per soprano & basso continuo
{HWV 135a}

Recitativo
Nel dolce tempo
, in cui ritorna a noi,
di novello colore adorna e piena,
la bella età fiorita,
che a diletti d’amor
ne chiama e invita,
leggiadra Ninfa e vaga
al bel Vulturno in riva,
là dove un alto più l’erba copriva;
vidi da lunge starsi,
e di rose e viole il petto ornarsi;
onde ratto ivi giunto, O Dio! mirai
due lumi, un labbro, un seno,
un crin si vago,
che n’arsi un tratto
e del mio ardor son pago,
quindi volto a colei ch’ho sempre al core
dissi così, pietà chiedendo e amore:


In jener süßen Jahreszeit, da
mit frischen Farben reich geschmückt,
das schöne Blühen wiederkehrte
und zu den Freuden der Liebe
uns ruft und verführt,
sah ich eine anmutige Nymphe
am Ufer des schönen Volturno,
da, wo eine hohe Kiefer das Gras überragte;
lange saß sie dort und schmückte
ihre Brust mit Rosen und Veilchen;
kaum war ich an ihrer Seite, o Gott, da sah ich
zwei Augen, einen Mund, einen Busen
und Haare so wunderschön,
dass ich sogleich in Liebe entflammte
und lechzte, mein Verlangen zu stillen;
Sprach ich zu ihr, die stets in meinem Herzen ist,
und sagte, um Liebe und Erbarmen flehend:

1. Aria
Pastorella, coi bei lumi,
erbe e fiori anch’innamori,
pastorella del mio cor.
E quest’aure, e questi fiumi,
sussurando, mormorando,
per te sol parlan d’amor.


Kleine Schäferin, mit deinen schönen Blicken
verführst du selbst das Gras und die Blumen,
Schäferin meines Herzens.
Und dieser Wind, und dieser Fluss,
mit ihrem Säuseln, ihrem Plätschern
sprechen sie nur von Liebe zu dir.

Recitativo
Di pallido color
la Ninfa intanto
coprì il bel viso,
e d’ostro poscia il tinse,
qual chi, temendo
e vergognando,
suole mostrare in volto
or rose ed or viole.
Pur sorridendo alfine
onestamente,
a me rivolta disse:
Pastor, tua nobil alma,
tuo costume gentil,
tuo vago viso,
dolce fiamma d’amor
destano al core,
ma, dell’amore,
è l’onestà maggiore!
Ond’io risposi allora:
Piacemi, o bella,
il tuo leggiadro aspetto,
ma più dell’alma ancor
la virtù rara,
onesta t’amo più,
più mi sei cara.


Blass wurde da
der Nymphe
schönes Gesicht,
dann rötete es sich,
wie es dem ergeht,
der ängstlich und schamhaft
bald Rosen, bald Veilchen
auf seinem Antlitz erblühen lässt.
Mit einem holden Lächeln
und sittsamen Blick sah sie
mich an schließlich und sprach:
Schäfer, deine edle Seele,
dein artiges Wesen
und dein sanftes Gesicht
entfachen in meinem Herzen
ein zartes Feuer der Liebe,
stärker als die Liebe aber
ist meine Tugend!
Darauf entgegnete ich:
Mir gefällt, meine Schöne,
dein anmutiges Wesen,
aber mehr noch
die hohe Tugend deiner Seele;
sittsam liebe ich dich noch mehr
und du bist mir noch teurer.

2. Aria
Senti, di te, ben mio, cantar
dal bosco al rio, l’augelli ancora.
In questa piaggia e in quella,
lodar di te, mia bella,
i lumi, i labbri, il cor,
l’onesto e fido amor,
s’ascolta ognora.


Höre, Geliebte, vom Wald bis zum Fluss
singen sogar die Vögel dein Lob.
An diesem und an jenem Ufer,
meine Schöne, überall
singt man das Lob deines Herzens,
deiner Augen, deiner Lippen,
deiner sittsamen und treuen Liebe.


Dalla guerra amorosa
Cantata per soprano / basso & basso continuo {HWV 102 a / b}

Recitativo
Dalla guerra amorosa
,
or che ragion mi chiama,
oh miei pensieri,
fuggite pur, fuggite,
vergognosa non è
in amor la fuga,
che sol fuggendo un' alma
del crudo amor può ritornar la palma.


Aus dem Kriege der Liebe,
so rät mir die Vernunft,
o meine Sinne,
flieht nur, flieht:
Vor der Liebe zu fliehen,
ist nicht schändlich,
da die Seele allein durch die Flucht
den rohen Amor besiegt.

1. Aria
Non v’alletti un occhio nero
con suoi sguardi lusinghiero,
che da voi chieda pietà.
Che per far le sue vendette,
e con arco e con saette,
ivi amor nascosso stà.


Lass’ dich nicht fangen von einem dunklen Auge,
das mit schmeichelnden Blicken
um Dein Erbarmen fleht:
Denn um seine Rache zu nehmen,
hat mit Bogen und Pfeilen
sich Amor darin schon versteckt!

Recitativo
Fuggite, si fuggite,
ahi! di quanto veleno amore
asperge i suoi piaceri,
ah quanto ministra duol,
e pianto, a chi lo segue,
e le sue leggi adora.
Se un volto v’innamora,
sappiate, oh pensieri miei,
che ciò che piace
in brev’ora svanisce,
e poi dispiace.


Flieht, ja flieht nur,
ach! aller arten Gifte hat Amor
seinen Freuden beigemischt,
ach, allen, die ihm dienten,
und sein Gesetz befolgten,
bracht’ er Leiden und Tränen.
Wenn euch ein Antlitz fesselt,
bedenkt, ihr Sinne mein:
was Euch so wohl gefällt,
wird bald ja schon verbleichen
und euch missfallen.

2. Aria
La bellezza è come un fiore:
sul matin vivace e bello,
sul matin di primavera.
Che la sera langue e more,
si scolora e non par quello.


Die Schönheit gleicht einer Blume:
morgens lebhaft und schön
wie ein Morgen im Frühling.
Doch am Abend matt und todesträchtig –
so verblasst, was einst war.

3. Recitativo ed Arioso
Fuggite, si fuggite,
a chi servo d'amor viene in catena,
è dubbioso il gioir,
certa la pena.


Flieht, ja flieht:
Denn dem in Liebe geketteten Sklaven
sind zweifelhaft die Lust,
doch sicher die Leiden!


Quando sperasti,
o core

Cantata per soprano
& basso continuo
{HWV 153}

Recitativo
Quando sperasti, o core
,
così dolce alimento,
al tuo fiero tormento,
al tuo dolore?
Torna, Fille, e ritorna
la cara pace all’alma,
e da tempeste il sen torna
alla calma.


Wann je hofftest du, o Herz,
so süße Nahrung,
für deine stolzen Marter,
für deinen Schmerz?
Komm zurück, Philli, und es kehret wieder
zur Seel’ der teure Friede,
und der Busen findet aus Stürmen
wieder zur Ruhe.

1. Aria
Non brilla tanto il fior,
quando che riede il sol
a dargli vita.
Quanto che gode il cor,
se riede a torgli il duol,
Fille gradita.


Die Blume strahlt nicht so sehr,
wenn die Sonne wiederkehrt,
um Leben ihr zu schenken,
wie sich das Herz freut,
wenn, um ihm den Schmerz zu nehmen,
Philli, die liebe, wiederkehret.

Recitativo
Gode, festeggia e ride,
tortorella che vede,
tutt’amor tutta fede,
tornar la cara
sua compagna al nido;
e giunta a quella intorno,
con mille baci e vezzi,
lieta vola e s’aggira;
e se pria per dolore sospirò,
per piacer dopo sospira.
Così a Fille, se torna,
vuò ne’labbri vivaci,
stampar l´anima in baci,
e’l suo volto adorato,
voglio incensar de’miei
sospir col fiato.


Es freuet sich, frohlockt und lacht
das Turteltäubchen, welches sieht,
ganz Lieb’, ganz Treu’,
seine teure Gefährtin
zurück kehren ins Nest;
und nun mit ihr vereint, ringsum
mit tausend Küssen und Schmeicheleien,
fliegt es freudig und kreiset;
und wenn’s dereinst vor Leid geseufzt:
nunmehr aus Freud’ es seufzet.
So möcht’ ich Philli, wenn sie wieder kehrt,
auf die blüh’nden Lippen, ihr
meine Seel’ in Küssen drücken,
und ihr angebetetes Antlitz,
will ich mit dem Odem meiner Seufzer
beweihräuchern.

2. Aria
Voglio darti a mille, a mille
dolci baci, O cara Fille,
perché servandi catene,
a restar sempre con me.
E vuò darti a cento, a cento
tali vezzi in un momento,
che soffrir dovrai ben pene,
se lontanne porti il piè.


Will dir geben zu Tausenden
süße Küsse, o teure Philli,
auf dass wie Bande sie dich binden,
damit du immer bleibst bei mir.
Und zu Hunderten will ich dir geben
solch’ Liebkosungen in einem Augenblick:
damit du wahre Qual leiden sollst,
falls Du Deinen Fuß von mir fortlenktest.


Nell'Africane selve
Cantata per basso & basso continuo
{HWV 136a}

Recitativo
Nell’Africane selve

ove rei spaventi,
o cada o sorga il giorno,
s’odono sempre intorno
ululati di belve,
sibili di serpenti
e d’augelli rapaci orride strida,
fiero leon s’annida,
ed audace e maestoso
non soggiace al timor
fra l’altre fiere;
stampa nei boschi altiere
l’ombre del passo errante,
ma, se mai fra le piante,
un raggio lo ferisce
s’insidiosa e lucida facella,
l’audacia del leon non è più quella.


In den Wäldern Afrikas,
voll der Schrecken,
morgens wie abends,
wo ringsum man immerzu hört
das Brüllen wilder Tiere,
der Schlangen Zischen
und entsetzliches Kreischen von Raubvögeln,
da lässt der stolze Leu sich nieder,
und kühn und majestätisch
kennt er keine Furcht
inmitten andrer wilder Tiere;
in den Wäldern prägt er hochgemut
die Schatten schweifenden Schrittes;
Doch wenn jemals inmitten der Pflanzen
ein Funke ihn verwunden könnte:
so eine tückisch leuchtende kleine Fackel -
und die Kühnheit des Leus schwindet dahin.

1. Aria
Langue, trema, e prigoniero
fra le reti allora inciampa,
quando stampa l’orme sicure.
E del suo valore primiero
perde tutta la costanza
e con misera sembianza
piange pur le sue sventure.


Er schmachtet, er zittert, gefangen
dann zwischen den Netzen strauchelt er,
wenn er die so sicheren Wege zieht.
Und seine vorige Größe
verliert alle Beharrlichkeit
und mit elender Miene
beweint er gar sein traurig Geschick.

Recitativo
Nice, là fra confine di valli incolte
e boscarecci orrori,
scevro da quei timori
di perder mai la libertà gradita,
e superbo e disciolto
trassi, come leon, l’ore di vita.
Ma quando de’tuoi lumi
mi ferì poi la geminata face,
piagato e senza pace,
tuo prigonier mi fe´ l’arcierio Dio!
Dunque, bell’ idol mio,
se fida l’alma mia te solo brama,
con esempio di fede ama chi t’ama.


Nike, dort an den Rändern unbebauter Täler
und des Grauens der Wälder,
frei von jenen Ängsten,
gar einzubüßen die liebe Freiheit,
sowohl stolz als auch ungebunden
verbracht’ ich, wie der Leu, des Lebens Stunden.
Doch als mich deines Blickes zwiefache Fackel traf,
machte der bogenschießende Gott
zu deinem Gefang’nen mich,
verwundet und ohne Frieden!
Also, meine schöne Liebste,
wenn meine Seele treu nach dir alleine schmachtet:
den liebe als Muster von Treue, der so dich liebt!

2. Aria
Chiedo amore, altro non bramo,
io che t’amo e serbo fé.
E pietà l’anima mia
sol desìa se viva in te.


Nach Liebe lechz’ ich, nichts ersehn’ ich sonst,
der ich dich lieb’ und dir in Treue diene.
Und liebendes Erbarmen nur
wünscht sich die Seele mein: so sie denn lebt in dir.


Se tu non
lasci amore

Cantata per due soprani e basso
& basso continuo {HWV 201a}

Se tu non lasci amore,
mio cor, ti pentirai, lo so ben io;
lontano dal tuo bene,
tu non avrai che pene!
Falls Du nicht das Lieben lässt,
mein Herz, bereust Du’s, das weiß ich allzu gut:
Entfernt von Deiner Geliebten
wirst Du nichts als Gram haben!

Ma con chi parlo, oh Dio! Aber mit wem spreche ich, oh Gott!

Quando non ho più core,
o il core che pur ho non è più il mio.

Wenn ich doch kein Herz mehr besitze,
oder das Herz, das ich noch habe, nicht mehr mein ist.


Deutsche Textversion:
Olaf Brühl, Berlin 2009

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